Erbrecht und Pflichtteil Teil 1
Erbrecht und Pflichtteil Teil 1: Pflichtteil einfordern – Das müssen Sie wissen!
Was muss ich beachten, wenn ich den Pflichtteil geltend mache
Das Pflichtteilsrecht betrifft zwei Personengruppen mit genau gegenteiligen Interessen. Zum einen den nahen Verwandten, der in einem Testament nicht bedacht wurde. Zum anderen den Erben, der sich mit Pflichtteilsansprüchen konfrontiert sieht.
Die große Gemeinsamkeit ist, dass der Informationsstand entscheidend ist.
Mit Ausnahme dieser Gemeinsamkeit sind die Herangehensweise und die taktischen Überlegungen jedoch vollkommen konträr. Daher informieren wir in zwei Artikeln über das Wichtigste im Pflichtteilsrecht.
Dieser 1. Teil ist dem Pflichtteilsberechtigten gewidmet:
Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Diese wird einem Pflichtteilsberechtigten von Gesetzes wegen garantiert. Der Pflichtteil kann einem daher auch nur in sehr seltenen Ausnahmefällen entzogen werden.
Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Ein Anspruch auf einen Pflichtteil besteht unter zwei Voraussetzungen:
Als erstes steht der Pflichtteil nach dem Gesetz nur engen Angehörigen des Erblassers zu. Eng angehörig und damit pflichtteilsberechtigt sind dabei Eheleute und die sogenannten „Abkömmlinge“, d.h. die Kinder und Kindeskinder des Verstorbenen. Enkel oder gar Urenkel des Verstorbenen sind nur pflichtteilsberechtigt, wenn die Generationen zwischen Ihnen und dem Erblasser bereits vorverstorben sind. Bei einem kinderlosen Erblasser steht auch dessen Eltern ein Pflichtteil zu. Geschwister oder Stiefkinder – es sei denn, sie sind adoptiert – haben keinen Anspruch auf einen Pflichtteil.
Als zweites muss man nach dem Testament des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen sein. Eine ausdrückliche „Enterbung“ muss dabei nicht erfolgen. Es ist ausreichend, wenn man nicht als Erbe aufgeführt ist. Hiervon gibt es aber Ausnahmen. So kann eine Pflichtteilsberechtigung unter gewissen Umständen auch dann bestehen, wenn man ein Erbe ausgeschlagen hat.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil besteht in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt. Diese Regelungen gelten eigentlich nur, wenn der Erblasser kein Testament hinterlassen hat. Sie werden aber auch zur Berechnung der Pflichtteilsquote herangezogen. Die Berechnung kann in manchen Fällen sehr kompliziert sein, weshalb auf Einzelheiten an dieser Stelle verzichtet wird. Ergibt sich aber zum Beispiel hiernach, dass man ohne das Testament gesetzlicher Erbe zu 1/4 geworden wäre, so beläuft sich die Pflichtteilsquote auf 1/8.
Woraus setzt sich die Erbschaft zusammen?
Der Nachlass ist eine Rechengröße, die sich aus dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Todes und dem sogenannten fiktiven Nachlass zusammensetzt.
Der Wert des Nachlasses zum Todeszeitpunkt sind sämtliche Vermögenswerte des Erblassers (Girokonten, Immobilien, Antiquitäten etc.) abzüglich der Verbindlichkeiten des Erblassers (ausstehende Rechnungen, Begräbniskosten etc.).
Der Begriff „fiktiver Nachlass“ beinhaltet Schenkungen des Erblassers, die dieser zu Lebzeiten getätigt hat. Diese Schenkungen können zu so genannten Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen und damit den Zahlungsanspruch gegenüber dem Nachlass weiter erhöhen. Schenkungen zu Geburtstagen, Hochzeiten etc. bleiben dabei außer Betracht, wenn sie nicht unangemessen hoch ausfallen. Auch werden in der Regel diejenigen Schenkungen nicht berücksichtigt, die mehr als zehn Jahre vor dem Versterben gemacht wurden. Ob und in welcher Höhe derartige Schenkungen zu beachten sind, hängt von mehreren Faktoren, wie unter anderem dem Zeitpunkt und der Person des Beschenkten ab.
Wie erfahre ich, was zum Nachlass gehört?
Die Antwort auf diese Frage ist ungewöhnlich einfach: sie dürfen den Erben fragen und dieser muss Ihnen antworten.
Die Erben sind zur Erstellung eines geordneten Verzeichnisses verpflichtet, in dem die einzelnen Nachlassgegenstände aufgeführt sind. Auf Nachfrage muss hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstände auch der Wert durch den Erben ermittelt werden. Ebenfalls haben Sie ein Anrecht darauf, zu erfahren, wann und an wen der Erblasser Schenkungen gemacht hat.
Sollten Sie diesen Angaben der Erben nicht recht glauben wollen, so können Sie eine Versicherung an Eides statt fordern. Erhöht auch dies ihren Glauben an die Richtigkeit der Angaben nicht, so kann auf Kosten des Nachlasses die Hinzuziehung eines Notars verlangt werden. Letztendlich verbleibt der Klageweg. Das Risiko, am Ende des Tages auf den Kosten hierfür sitzen zu bleiben, ist dabei für den Pflichtteilsberechtigten regelmäßig eher gering.
Worauf sollte ich besonders achten?
Der Pflichtteilsanspruch wird durch Ausbezahlung eines Geldbetrages erfüllt. Die Höhe dieses Geldbetrages wird wesentlich von den beschafften Informationen und deren Bewertung abhängen. Die Erben müssen Ihnen aber nur die Informationen geben, nach denen sie auch gefragt werden.
Um die Ihnen zustehenden Beteiligung am Nachlass auch tatsächlich zu erhalten, sollten Sie Ihren Fokus auf die gesetzlich geregelten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche legen:
– Machen Sie sämtliche ihnen zustehenden Auskunftsansprüche geltend und formulieren Sie diese so präzise wie möglich;
– Fragen Sie nach, wenn Sie ausweichende oder unklare Rückantworten erhalten
– Setzen Sie Ihre Ansprüche auf Wertermittlung, auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und/oder Hinzuziehung eines Notars taktisch sinnvoll ein.
Weiteres folgt in Teil 2, der in einem gesonderten Blog veröffentlich wird.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: Katharina Winand, Rechtsanwältin,