Zinssatz nach § 233a AO – die bessere Spardose?
„Der Zins ist abgeschafft“, verkündete der geschäftsführende Präsident des hessischen Sparkassen- und Giroverbands Gerhard Grandke Anfang letzter Woche. Die von der Europäische Zentralbank festgelegten Zinssätze, nach denen sich Geschäftsbanken richten, und zu denen Geld beschafft oder angelegt wird, bleiben unverändert bei 0% (Stand: März 2021). Damit liegt der aktuelle Leitzins bereits seit 5 Jahren auf einem gleichbleibend, niedrigen Niveau. Sparer erhalten für Bankeinlagen schon lange keine Zinsen mehr; manch einer zahlt inzwischen Negativzinsen.
Anders ist es mit dem Zinssatz nur im Steuerrecht
Steuernachzahlungen bzw. Steuererstattungen werden allerdings seit dem Jahr 1961 weiterhin gemäß § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO mit 0,5 % pro Monat verzinst: dies ergibt einen jährlichen Zinssatz von 6 %.
Die Frage, ob dieser Zinssatz von 6% p.a. noch der Realität entspricht bzw. verfassungsgemäß sei, beschäftigt die Gerichte daher bereits seit mehr als einem Jahrzehnt – allerdings ohne Konsequenz. So urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2009 der Zinssatz sei weder willkürlich noch verletze er die Gleichheitsrechte der Steuerpflichtigen. Die Höhe der Zinsen wird seit einigen Jahren aber von einer überwiegenden Mehrheit massiv kritisiert, sodass zwischenzeitlich auch die Finanzverwaltung reagiert hat:
Mit Schreiben vom 02.05.2019 ordnete das Bundesministerium für Finanzen daher an, dass die Höhe der Zinsfestsetzung nach § 165 AO vorläufig sei. Dieser Hinweis ist seitdem in sämtlichen Steuerbescheiden enthalten, sodass bei einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Zinshöhe, sämtliche Bescheide mit Vorläufigkeitsvermerk automatisch geändert werden können. Ein Einspruch gegen die Höhe der Zinsfestsetzung ist seitdem obsolet.
Fluch oder Segen?
Die Höhe der Verzinsung betrifft letztlich sowohl Steuererstattungen als auch Steuernachzahlungen, sodass beispielsweise durch eine verzögerte Abgabe von Steuererklärung in Erstattungsfällen der Zinssatz zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausgenutzt werden kann.
Betrifft die Verzinsung eine Steuernachzahlung sollte der Beginn der Verzinsung im Blick gehalten werden und ggfs. durch eine freiwillige Zahlung gestoppt werden, denn der Steuerpflichtige hat keinen Einfluss darauf, wann die Festsetzung der Steuern erfolgt.
Ausblick
Die bereits für das Jahr 2019 angekündigte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bis heute immer noch nicht gefallen. Mittlerweile sind gleich mehrere Verfahren bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig, die sich mit der Verzinsung von Steuererstattungen bzw. Steuernachzahlungen beschäftigen. Insbesondere im Hinblick auf die andauernde Corona-Pandemie und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Krise, ist es dringend an der Zeit für eine Klarstellung: entweder durch das Bundesverfassungsgericht oder durch den Gesetzgeber.
Sollten Sie Fragen zum Thema Verzinsung oder einem möglichen Gestaltungsspielraum in diesem Zusammenhang haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Anna Thimm
Steuerberaterin